VORTRAG
KRANKHEIT ALS CHANCE
Krankheit als Chance
JEDES SYMPTOM UND JEDE KRANKHEIT TRÄGT EINE BOTSCHAFT
Alles im Leben hat einen Sinn. Auch wenn wir ihn nicht gleich erkennen. Auch das, was uns nicht gefällt, gehört zum Leben, wie alles andere. Das gilt auch für Krankheit, für Schmerz, für alle Symptome und Erscheinungen des Körpers.
Der Körper ist weise und im Gegensatz zum doch recht begrenzten menschlichen Verstand mit Größerem verbunden. Der Körper weiß viel mehr als der Mensch, der in ihm wohnt, viel mehr als der sezierende Verstand, der nur verstehen kann, indem er teilt, das eine vom anderen scheidet und deshalb auch den Menschen, den er bedenkt, in Körper, Seele und Geist spaltet und sich in seiner Wahrnehmung auf die fünf Sinne beschränkt. Während sich der Körper ganz selbstverständlich auch der Wahrnehmungsfähigkeit der Seele und des Geistes bedient, namentlich der Intuition.
Der Körper hat eine intuitive Weisheit, die er uns gerne zur Verfügung stellt, weil er unser Freund ist, weil er ja zu uns gehört. Doch haben wir verlernt, seine Sprache zu verstehen. Außerdem stören uns seine Äußerungen, weil sie weh tun, uns innehalten lassen, wo wir vorwärtsstürmen wollen, und weil sie scheinbar den Plan unseres Lebens durchkreuzen.
Wir wollen, daß die negativen Äußerungen des Körpers verstummen, schlucken Schmerzmittel und Antibiotika, obwohl uns der Körper nur warnen will, halt, nicht weiter so, überlege noch mal, kehr um, du gehst in die falsche Richtung, oder du verharrst zu lange in der Starre der Unentschiedenheit, entscheide dich endlich.
Der Körper spricht mit uns. Seine Botschaften sind wichtig, manchmal lebenswichtig. Die gute Nachricht ist, wir können lernen, seine Botschaften zu verstehen. Das Werkzeug, das dafür heute zur Verfügung steht, ist die Systemaufstellung. Denn dabei bekommt der Körper, das Körpersymptom, das Organ oder auch die Krankheit eine Stimme.
Es ist hoch interessant, seinem Herzen zuzuhören, seiner Lunge, einer Niere, dem Bauch, einem Knie, oder dem Schmerz, dem Hautausschlag oder der traurigen Stimmung zu lauschen, oder die Botschaft eines Tumors oder einer Entzündung zu verstehen.
Wie aber geht das vor sich? Wie funktioniert eine Systemaufstellung? Ich will Ihnen das in den Grundzügen kurz erklären:
Die Teile eines Systems, z.B. des Körpers werden in Bezug zum Klienten räumlich aufgestellt und mit Stellvertretern, z. B. Mitgliedern einer Therapiegruppe besetzt. In der Einzeltherapie übernehme ich diese Aufgabe, indem ich mich nacheinander in die verschiedenen Positionen stelle, um dort Informationen zu sammeln.
Denn sobald man sich als Stellvertreter an eine Systemposition stellt, beginnt man, die Befindlichkeit dessen, für den man steht, aufzunehmen und zu empfinden. Wie ein Radioempfänger empfängt man Informationen, die in der Luft liegen. Man nennt dieses Phänomen „repräsentierende Wahrnehmung“. Sie ist der wirksame Kern jeder Aufstellung. Durch sie fließen Informationen, die das System in seinen Zusammenhängen erklären.
Zunächst wurde die Systemaufstellung von Bert Hellinger vor Jahrzehnten für das Familiensystem entwickelt und heißt in diesem Bereich eben Familienaufstellung. Später wurde die Methode von anderen, zu denen auch ich mich zähle, für Körpersymptome, Organe und Krankheiten weiterentwickelt.
Aber wie fühlt sich ein Organ, wie fühlt sich ein Schmerz, wie ein ganzer Symptomenkomplex, wie eine Krankheit? Die Informationen, die fließen, sind in hohem Maße bereichernd und überraschend zugleich. In aller Regel dienen sie der Heilung des ganzen Menschen. Nie ist es nur der Körper, der krank ist, nie ist es nur die Seele oder der Geist. Stets ist der Mensch in seiner Gesamtheit krank, und deshalb kann er auch nur in seiner Gesamtheit wieder gesund werden.
Manche Krankheiten heilen von alleine, wie z. B. eine Grippe. Obwohl auch sie nicht so lange bleiben müßte, wenn man verstehen würde, warum sie aufgetaucht ist.
Denn jede Krankheit bringt etwas, was Ihnen zur Ganzheit fehlt. Die deutsche Sprache ist an dieser Stelle tiefgründig. Wenn jemand krank wird, fragen wir: Was fehlt dir?
Was aber könnte das Fehlende sein?
Im weitesten Sinne ist es eine Einsicht.
Grundsätzlich gibt es drei Kategorien von Botschaften und Einsichten, die von Krankheiten und Symptomen vermittelt werden:
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Erstens die sachlichen Botschaften. Das sind Erkenntnisse und Hinweise, die Sie in Ihrer jetzigen Lebensphase dringend brauchen.
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Zweitens gibt es Botschaften, die darauf hinweisen, daß Ihre Seele vielleicht nicht vollständig ist, daß Sie evtl. einen Seelenanteil irgendwann in der Vergangenheit zurückgelassen haben, z.B. in einer traumatischen Situation in der Kindheit oder auch in einer früheren Inkarnation
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Drittens gibt es die Botschaften, die Ihnen sagen, daß Ihr Klan nicht vollständig ist, daß Ihnen in Ihrem Klanbewußtsein ein bestimmter Mensch fehlt
Zu Punkt 1:
Beginnen wir mit den sachlichen Botschaften. Wenn Sie ein Symptom mit einer sachlichen Botschaft entwickeln, sollen Sie offensichtlich in Ihrer momentanen Lebenssituation etwas verstehen, damit Sie bessere Entscheidungen treffen können. Oder einfacher ausgedrückt, Sie sollen etwas anders machen als bisher. Vielleicht haben Sie ein wichtiges Lebensthema ausgeklammert oder vergessen.
Eine laufende Nase sagt zum Beispiel, paß auch Mensch, siehst du denn nicht, daß du die Nase auch im übertragenen Sinn voll hast. Intuitiv versteht man sofort, worum es sich handelt. Man weiß schon lange, wovon man die Nase voll hat, man wollte es nur nicht wissen, weil man vor der Konsequenz zurückgeschreckt ist. Vielleicht hat man die Nase von einer belastenden Situation am Arbeitsplatz voll, vielleicht sollte man besser kündigen. Oder es geht um ein Beziehungsproblem, vielleicht sollte man mal darüber reden. In diesem Fall könnte man beginnen mit: Ich habe die Nase voll ...
Der Schnupfen wird sich dann recht schnell zurückziehen.
Oder Husten. Wem husten Sie etwas? Jemand erwartet vielleicht ein bestimmtes Verhalten von Ihnen. Sie merken nicht gleich, daß Sie das eigentlich nicht wollen oder haben nicht den Mut, das zu sagen. An dieser Stelle springt der Körper mit einem Hustenreflex ein oder auch mit einer ausgewachsenen Bronchitis. Sie husten jemandem etwas. Der innere Konflikt, will ich das oder nicht, soll ich was sagen oder nicht, tobt dann in Form der Bronchitis in Ihrer Lunge. Durch das stoßweise Aushusten von Atemluft, verbunden mit dem Hustenton, wird klar, daß Sie etwas hören lassen sollten. Sie müßten nur die Lippen dazu bewegen und sagen, worum es eigentlich geht, dann klänge der Husten bald ab.
Auch bei anderen Entzündungen gibt es einen Konflikt, der auf der seelischer Ebene nicht ausgetragen und deshalb in den Körper verschoben wird. Oder besser gesagt, der Körper als unser Freund kümmert sich darum und weist mit seinen Symptomen, Husten, Blasenentzündung, Fieber darauf hin, daß man einen Konflikt hat und sich besser schleunigst darum kümmern sollte.
Es gäbe noch viele solche Beispiele, bei denen alleine schon die Symbolik des Symptoms den Weg weist. Sie ist gut erforscht. Die psychosomatische Medizin (Psyche = Seele, Soma = Körper) befaßt sich seit Jahrzehnten mit der Symbolkraft körperlicher Symptome. Dazu braucht man keine Aufstellung.
Aber bei vielen anderen körperlichen Symptomen versteht man auch mit dem Wissen um die Symbolik des Körpers nicht, was los ist, was eigentlich fehlt. Hier hilft eine Systemaufstellung weiter. Ich stelle in solchen Fällen eine mögliche Botschaft des Symptoms auf. Wenn es eine solche Botschaft wirklich gibt, dann zeigt sich das sofort. Manchmal wird dem Klienten noch während der Aufstellung klar, was die Botschaft bedeutet, ein andermal braucht es ein paar Tage. Aber wenn die Botschaft erkannt ist und auch der Wille da ist, die Konsequenzen daraus zu ziehen, schwächt sich das Symptom ab oder zieht sich ganz zurück. Dem betroffenen Organ geht es gleich besser und dem Menschen sowieso.
Die sachlichen Botschaften, die sich in Symptomaufstellungen zeigen, können ganz unterschiedlich sein:
Hierzu einige Beispiele. Bei allen Beispielen sind die Namen geändert:
Christine hat Bauchschmerzen. Sie ist leidend, möchte den Bauchschmerz gar nicht haben, sich nicht damit befassen. Trotzdem läßt sie nach einiger Zeit Untersuchungen machen. Als die keinen krankhaften Befund ergeben, die Bauchschmerzen aber immer wieder auftreten, kommt sie zur Symptomaufstellung. Dabei zeigt sich, daß der Bauchschmerz eine Botschaft überbringen will. Die Botschaft verneigt sich in der Aufstellung vor Christine wie ein Dienender. Als Christine das sieht, wird ihr klar, daß es darum geht, sich Hilfe zu suchen. Gleichzeitig fällt ihr auch das Problem ein, für deren Lösung sie Hilfe gut brauchen könnte. Es geht um eine berufliche Entscheidung, die sie aus eigenen Kräften bisher nicht treffen könnte. Als sich Christine entschließt, sich definitiv eine Beratung für ihr Problem zu suchen, zieht sich der Bauchschmerz zurück. Noch während der Aufstellung verspürt Christine Erleichterung.
Sie hatte zu lange für den nächsten beruflichen Schritt gewartet. Ihr Körper mußte ihr zeigen, daß es so nicht weitergehen konnte.
Simon verletzt sich wiederholt am rechten Sprunggelenk. Mal knickte er auf einer Treppe um, mal bekam er einen Schlag beim Fußball. In der Aufstellung wollte das Symptom der Unfallgefährdung immer wieder an das rechte Sprunggelenk Simons schlagen und spiegelte so die Istsituation der letzten Wochen. Ich stellte eine mögliche Botschaft der Unfallgefährdung auf. Diese Position wirkte aber nicht wie eine abstrakte Botschaft, sondern eher wie ein Mensch, genauer wie eine Frau, die auf Simon wartete.
Doch Simon konnte zunächst nichts mit dieser Botschaft anfangen. Er war Single und hatte sich im Single-Dasein leidlich eingerichtet. Die Frage blieb offen.
Zwei Wochen später knickte Simon beim Badminton-Spielen auf einer Liegewiese um, brach sich dabei den Knöchel und mußte operiert werden. Nachdem der Bruch nicht richtig heilen wollte, sich immer wieder entzündete, kam er wieder zur Aufstellung. Es sei ihm eine Frau eingefallen, die ihm vor Monaten eine nette E-Mail geschrieben habe. Er habe damals aber nicht reagiert.
Wir stellten wieder das Symptom auf, das jetzt offensichtlich als Entzündung in Simons operiertem Knöchel wühlte. Die Botschaft des Symptoms stellte ich Simon gegenüber und daneben die Frau, die Simon eine E-Mail geschrieben hatte.
Es war sofort klar, daß es sich bei der Botschaft, um diese Frau handelte. Als sich Simon entschloß, mit ihr Kontakt aufzunehmen, wurde das Symptom schwächer. Die beiden begannen eine Beziehung. Der Bruch heilte in der Folge problemlos aus.
Verwunderlich! Ein Körpersymptom als Beziehungsanbahnung.
Anna ist dauernd müde und erschöpft. In der Symptomaufstellung zeigt die potentielle Botschaft der Müdigkeit eine erstaunliche Reaktion. Sie dreht sich beleidigt weg, wie jemand, der lange nicht gesehen wurde. Zuerst fällt Anna nichts dazu ein. Erst als die Botschaft des Symptoms kindliche Züge annimmt, erzählt Anna, daß sie seit Jahren einen Kinderwunsch hat, diesen Wunsch aber in der letzten Zeit verdrängt hat, weil ihr Partner einfach keine Kinder will.
Als wir den Kinderwunsch Annas aufstellen, rücken Kinderwunsch und Botschaft des Symptoms eng zusammen. Als Anna klar wird, daß ihr der Kinderwunsch immer noch sehr wichtig ist, ist sie plötzlich hellwach. Sie versteht, daß es hohe Zeit ist, die Augen aufzumachen und etwas in ihrer Beziehung grundsätzlich zu klären.
Ein Körpersymptom als Ruf der Ungeborenen ins Leben.
Zu Punkt 2:
Kommen wir nun zu den Symptomen, die darauf hinweisen, daß man einen Seelenanteil z. B. in einem Trauma zurückgelassen hat. So etwas äußert sich oft in seelischen Symptomen wie Angst, Traurigkeit und Aggression oder auch in körperlichen Schmerzempfindungen. Häufig geht es um ein Trauma in der Kindheit.
Ein Trauma ist eine Situation, in der man existentiell bedroht ist und die nicht selten lebensbedrohlich ist. Dabei kommt es zu einer automatischen Schutzreaktion. Man verschließt sich körperlich und seelisch in Sekundenschnelle, um den zugefügten Schmerz nicht erleben zu müssen. Menschen, die von Löwen angefallen wurden, berichten, daß sie zwar noch mitbekommen haben, wie der Löwe zum Sprung ansetzt, daß sie sich aber an den Aufprall, den Biß, die Verletzung nicht mehr erinnern können. In solch einer Situation kann es sein, daß ein Teil der Seele die Errettung nicht mitbekommt und in dem Trauma hängen bleibt.
Immer wenn man dann später eine Situation erlebt, die auch nur im Entferntesten an eine Bedrohung erinnert, kommt es emotional zu einer Reaktivierung des früheren Traumas. Das Kind, das man damals war, meldet sich irgendwo im Inneren und der Erwachsene beginnt, sich so zu fühlen, als wäre er ein kleine Kind in einer sehr bedrohlichen Situation.
Man versteht dieses Gefühl zuerst nicht, weil es dafür im gegenwärtigen Leben keinen passenden Auslöser gibt. In einer Symptomaufstellung des Angstgefühls aber kann man ein mögliches Trauma in der eigenen Biographie aufstellen. Falls es ein Trauma dieser Art wirklich gibt, zeigt sich das deutlich. Dadurch wird manchmal der Weg frei für die Erinnerung. Meist nämlich ist ein bedrohliches Trauma vergessen oder verdrängt worden. Die Aufstellung kann helfen, den Schleier des Vergessens zu lüften. In der Traumatherapie kann man dann in einem geschützten therapeutischen Setting den zurückgelassenen Seelenanteil aus der damaligen Situation befreien und zu sich nehmen. Man nimmt das kleine Kind an die Brust und läßt es in die jetzige erwachsene Person eingehen.
Depressionen oder chron. Bauchschmerzen z. B können auf einen sexuellen Mißbrauch in der Kindheit hinweisen. Verlassenheitsängste erinnern an ein Verlassenheitstrauma, z.B. einen Klinikaufenthalt als Baby, oder einen Heimaufenthalt. Unbestimmte Ängste können auch ein Hinweis auf ein Unfalltrauma mit Lebensbedrohung sein.
Auch ein Trauma aus einem früheren Leben kann manchmal eine Rolle spielen. Das kommt häufiger vor als man denkt. In diesen Fällen handelt es sich meist um einen dramatischen Tod, der ein früheres Leben beendet hat. Offenbar ist es möglich, daß ein Seelenanteil auch in einem früheren Lebens zurückbleiben kann.
Wenn man nun im jetzigen Leben eine Situation erlebt, die auch nur entfernt an die damaligen Situation erinnert, kann es zu einer emotionalen Reaktivierung dieses Traumas kommen. Das heißt, man beginnt, sich so zu fühlen, als wäre man immer noch in der damaligen Situation, was oft dramatische Gefühle auslöst. Doch keiner versteht es. Es sei denn man denkt an ein Trauma in einem früheren Leben und bezieht diese Möglichkeit mit ein.
Dazu ein Beispiel:
Ein Wissenschaftler machte eine Entdeckung, die er in einer Fachzeitschrift veröffentlichte. Als er eingeladen wurde, seine Entdeckung im feierlichen Rahmen einer Akademie vor hunderten von Menschen persönlich vorzustellen, geriet er im Vorfeld schon in Angstzustände. Er war drauf und dran, seine Beteiligung an der Veranstaltung abzusagen, obwohl sie ein wichtiger Meilenstein in seiner Karriere gewesen wäre.
In der Symptomaufstellung wurde klar, daß die Angstzustände mit einem Trauma zu tun hatten. Die mögliche Botschaft des Symptoms deutete weit zurück. Es zeigte sich eine starke Verbindung zu einem früheren Leben. Im weiteren Verlauf der Aufstellung stieg folgendes Bild auf: Der Mann hatte damals bereits als Wissenschaftler gearbeitet und eine neue Erkenntnis veröffentlicht, wurde dafür aber als Ketzer auf dem Scheiterhaufen verbrannt.
Es war nicht einfach, aber Schritt für Schritt konnte er den Seelenanteil, der in der damaligen Traumasituation verhaftet geblieben war, zu sich holen. Der Damalige verstand im Laufe dieser Ablösung, daß das Schreckliche vorbeigegangen und daß jetzt eine neue Zeit angebrochen ist, in der man wissenschaftliche Erkenntnisse ohne Gefahr für Leib und Leben veröffentlichen kann.
Die Angstzustände traten daraufhin nicht mehr auf. Die Veranstaltung wurde zum gefeierten Erfolg.
Nächstes Beispiel:
Georg verliebt sich. Die Beziehung ist zunächst schwierig. Immer wieder kommt es zu Trennungen und Versöhnungen. In den Trennungsphasen gerät Georg in tiefe Schmerzzustände, die er nicht versteht und die, das sieht er selbst, übertrieben sind. Dennoch ist er dieser Trauer irgendwie schutzlos ausgeliefert.
In der systemischen Beratung stellt sich heraus, daß er mit seiner Freundin schon einmal in einem früheren Leben verbunden war, und daß die Freundin damals in jungen Jahren während eines Überfalls getötet worden war. Über diesen Schicksalsschlag war Georg damals nicht hinweggekommen. Ein Seelenanteil hing in der Verlustsituation fest.
Im jetzigen Leben spürte er bei jeder Situation, die auch nur annähernd in Richtung Trennung von seiner Freundin ging, unbewußt die tiefe Trauer von damals, was ihn veranlaßte, sich an seine Freundin zu klammern. Sie fühlte sich intuitiv überfordert und zog sich immer mehr zurück.
Georg gelang es in der Aufstellung, die übermäßige Trauer in einem symbolhaften Akt in das frühere Leben zurückzugeben. Gleichzeitig nahm er den in der damaligen Verlustsituation zurückgebliebenen Seelenanteil wieder zu sich und verstand im selben Moment, daß er sich über die Beziehung zu seiner Freundin keine Sorgen zu machen brauchte, weil es sich um eine große, inkarnationsübergreifende Liebe handelte, die unvergänglich ist.
Auf diese Weise schöpfte Georg Vertrauen. Die Beziehung bekam wieder eine Chance.
Bei der Heilung eines Traumas geht es immer um Ganzwerdung und Vervollständigung. Man holt dazu den zurückgelassenen Seelenanteil aus der Kindheit oder einem früheren Leben in die Gegenwart und integriert ihn in die eigene Persönlichkeit. Das Symptom, das auf die Lücke in der Seele hinweist, schwächt sich dabei ab oder verliert sich ganz.
Zu Punkt 3:
Nun aber zur dritten Kategorie, den Botschaften, die Ihnen sagen, daß Ihr Klan nicht vollständig ist, daß Ihnen ein bestimmter Mensch fehlt. Dieser Mensch kann Ihnen räumlich oder zeitlich fern sein, ist Ihrem Herzen aber doch nahe.
Zwei Klansysteme spielen hier eine Rolle: 1. der Klan Ihrer Herkunftsfamilie und 2. Ihr Herzensklan, die Menschen, die Sie erst als Jugendlicher oder Erwachsener kennenlernen, die aber genauso innig zu Ihnen gehören. Dabei geht es vor allem um Liebesbeziehungen.
Zuerst zum Klan der Herkunftsfamilie:
Durch die Familienaufstellungen, die vor über 30 Jahren von Bert Hellinger entwickelt worden sind, hat man herausgefunden, daß manche Krankheiten Ausdruck einer Schicksalsübernahme aus dem Familiensystem sind.
Wenn man das zum ersten Mal hört, will man es zuerst nicht glauben. Warum sollte ein Kind oder Enkelkind krank werden, nur weil jemand aus der Eltern- oder Großelterngeneration früh gestorben ist, einen Unfall hatte oder im Krieg gefallen ist.
Mittlerweile ist aber der Mechanismus der generationsübergreifenden Schicksalsübernahme durch viele tausend Fälle bewiesen. Damit es dazu kommt, braucht es aber gewisse Vorraussetzungen:
Besonders groß ist die Gefahr einer Schicksalsübernahme, wenn das frühere Familienmitglied, z. B. ein Bruder, eine Schwester, eine Großvater oder eine Großmutter, auf Grund seines frühen Todes oder eines anderen Schicksalsschlags ausgegrenzt oder vergessen wurde.
Das aber läßt das Familiensystem offenbar nicht zu, weil es durch die Ausgrenzung eines Mitglieds unvollständig wird. Es gibt im System eine Kraft, die versucht, die Vollständigkeit des Systems wiederherzustellen, indem es das Schicksal des Vergessenen in einer späteren Generation wieder auftreten läßt, um an den Früheren zu erinnern. Wenn man das aber nicht weiß, ist dieser Versuch des Systems natürlich frustran und führt nur dazu, daß ein belastendes Schicksal sich von Generation zu Generation wiederholt.
Die Lösung ist, daß man die oder den Vergessenen einen guten Platz im eigenen Herzen gibt. Dann kann man die übernommene Krankheit an den Früheren zurückgeben. Die Krankheit wird schwächer oder fällt im Idealfall ganz ab.
Beispiel: Depression
Benno wird mit zwanzig Jahren depressiv und hegt Selbstmordgedanken. In der Sympomaufstellung zeigt sich, daß die Depression mit dem Familiensystem zu tun hat. Auf Nachfragen gibt die Mutter Bennos an, daß es einen Onkel Bennos gab, den Bruder des Vaters, der sich mit 22 Jahren umgebracht hat. Benno wußte bis zu diesem Zeitpunkt nichts von diesem Onkel. Die Familie hatte damals nicht wirklich getrauert, sondern versucht, die Sache zu vergessen. Damit durfte auch von diesem Onkel kaum mehr geredet werden. Das Geschehen wurde zum Familiengeheimnis.
In der Familienaufstellung wird die geheime energetische Verbindung Bennos mit diesem Onkel offensichtlich. Es gelingt ihm, den Onkel in sein inneres Bild seines Klans zu integrieren, indem er ihm sagt: „Lieber Onkel Thomas. Ich habe nichts von dir gewußt. Aber jetzt weiß ich von dir. Du gehörst dazu, so wie ich und alle anderen. Ich gebe dir jetzt einen guten Platz in meinem Herzen. Aber dein Schicksal lasse ich ganz bei dir, in Achtung und Liebe.“
Es ist wichtig, daß bei der Rückgabe des zu Unrecht übernommenen Last die Liebe bleiben darf. Denn die tiefe Verbundenheit mit den Menschen der eigenen Herkunft ist uns lieb und teuer, egal was wir an der Oberfläche darüber denken.
Auch leichtere depressive Verstimmungen können einen familiensystemischen Hintergrund haben.
Beispiel: uneheliches Kind
Wolfgang, ein Mann um die vierzig, hat Probleme mit Alkohol. In der Aufstellung zeigt die Position der Alkoholsucht einen Bezug zu einem Kind. Auf Nachfragen gibt Wolfgang an, eine uneheliche Tochter zu haben, die jetzt siebzehn ist, die er aber noch nie gesehen hat, obwohl sie im Nachbardorf lebt. Die systemische Lösung legt nahe, daß er Kontakt zur Tochter aufnimmt, ihr ein Vater ist, und seine beiden kleinen Kindern, die er mit seiner jetzigen Ehefrau hat, mit ihrer älteren Schwester zusammenzubringt.
Die Sucht war bei Wolfgang, wie so oft, die Suche nach dem Eigentlichen. Seine Seele wollte den Kontakt mit seiner Tochter. In der Sucht aber findet man nur den Ersatzstoff. Ersatzstoffe haben den großen Nachteil, daß sie zerstören. Als die Tochter in der Aufstellung näher kam, zeigte die Alkoholsucht die Bereitschaft, sich zurückzuziehen.
Beispiel: Krebs.
Maria, 42, erkrankt an Brustkrebs. Sie ist mit Operation und Chemotherapie auf einem guten Weg und bereits über zwei Jahre tumorfrei. Um ihre Chancen auf dauerhafte Heilung zu erhöhen, kommt sie zur Systemaufstellung. Bei der Aufstellung zeigt sich, daß der Brustkrebs zwar einige Schritte von Maria entfernt steht, aber offensichtlich noch auf eine Chance wartet zurückzukehren. Die Position einer möglichen Botschaft des Brustkrebs zeigt einen Bezug zum Familiensystem. Auf die Frage, ob es in ihrem Familiensystem eine Frau gibt, die jung verstorben ist, gibt Maria an, daß die Großmutter bei der Geburt ihrer Mutter gestorben ist.
Die Lösung für Maria war, die Großmutter in ihren inneren Klan zu integrieren und ihr einen guten Platz im Herzen zu geben als ihrer Oma. Nachdem Maria dieser innere Schritt gelungen war, zog sich die Position des Brustkrebs in der Aufstellung zurück und zeigte Auflösungstendenzen. In der Folge fühlte sich Maria von der Angst des Rückfalls befreit. Sie hatte vorher noch intuitiv die Nähe der Krankheit gespürt.
Nun zum Herzensklan, den Menschen, die Sie erst als Jugendliche oder Erwachsene kennenlernen, die aber genauso innig zu Ihnen gehören. Der Herzensklan besteht über mehrere Inkarnationen. Mit diesen Menschen ist man mit einem inkarnationsübergreifenden Band verbunden. Beim Wiedersehen erkennt man sich, spürt die Verbindung im Herzen und ist beglückt.
Es sind nur wenige Menschen, die zum Herzensklan gehören. Manchmal trifft man im Leben nur einen einzigen Menschen aus dem Herzensklan, manchmal auch zwei oder drei. Merkmal ist die tiefe, vorbestehende Liebe, die bereits in einem früheren Leben bestand, und in diesem Leben wieder erkannt wird. Man hat das Gefühl, sich schon ewig zu kennen. Natürlich und gesund wäre es, eine Verbindung dieser Dimension wieder aufzunehmen, den Bogen der Liebe wieder aufzunehmen und zu vollenden.
Wenn man eine Beziehung dieser Dimension zurückweist, meldet sich oft der Körper mit Symptomen. Meist ist es das Herz, das reagiert, weh tut oder aus dem Rhythmus gerät. Oder auch eine depressive Verstimmtheit, die auf keine Medikamente reagiert.
Beispiele:
Sabine leidet unter Lustlosigkeit. Sie hat das Gefühl, unter einer zentnerschweren Last durchs Leben zu gehen. Dieser Zustand dauert schon lange an. Alles, was sie bisher dagegen unternommen hat, konnte nicht helfen.
In der Symptomaufstellung zeigt sich die Last, die Sabine nach unten zieht deutlich. Das Botschaft des Symptoms steht da offenbar schon lange, ist gelangweilt und deutet nur noch müde in eine Richtung, in der zunächst einmal niemand steht. Als wir denjenigen, der fehlt, dorthin stellen, beginnt sich bei Sabine etwas zu verändern. Es dämmert ihr langsam, um welchen Mann es sich handelt. Vorsichtig geht sie Schritt für Schritt auf ihn zu. Dabei fällt die Last Stück für Stück ab. Sie gesteht sich die Liebe zu diesem Mann ohne Einschränkungen ein. Sie wächst dabei immer mehr, richtet sich zu ihrer vollen Größe auf. Noch in der Aufstellung landet sie in seinen Armen. (den Armen des Stellvertreters).
Im wahren Leben dauerte es noch mehrere Wochen, bis die beiden zueinander fanden. Ein ganz neues Leben begann für Sabine.
Der Mann gehörte zu ihrem Herzensklan.
Paul hat Herzscherzen. Angina pectoris. Die Botschaft des Herzschmerzes deutet auf eine Frau von kleiner Statur hin. Paul weiß sofort, wer gemeint ist. Er hatte sich vor einiger Zeit aus Vernunftsgründen gegen die Verbindung entschieden. Als klar wurde, daß sie bereits in einem früheren Leben verbunden waren, daß diese Frau also zu seinem Herzensklan gehört und es deshalb ganz natürlich und in Ordnung war, sein Herz für sie zu öffnen, konnte er auf sie zugehen. Der Herzschmerz blieb in der Vergangenheit zurück.
Ein anderer Mann, dem es ähnlich ging, sagte einmal zu mir. Aber wenn ich dieser Verbindung nachgebe, dann muß ich mein bisheriges Leben aufgeben. Ja, sagte ich das kann sein. Aber das mußt du auch, wenn du an einem Herzinfarkt stirbst. Das konnte er verstehen.
Soweit die Botschaften, die von Symptomen überbracht werden können. Für ganze Krankheiten gilt das Gleiche. Auch sie kann man aufstellen und ihre Botschaften auf diese Weise entschlüsseln.
Manchmal stelle ich auch ein erkranktes Organ auf. Das Herz, die Lunge, eine Niere oder auch ein Knie oder eine Hüfte. Sie hören zu, wie es Ihren Organen geht. Es ist wirklich interessant zu hören, was Organe zu sagen haben. Man erfährt aus erster Hand, wie es ihnen geht, und ist eher bereit, etwas für sie zu tun, alles Schädliche von ihnen fern zu halten und vor allem auf ihre Botschaften zu hören.
Der Körper ist unser Freund. Er ist viel weiser als wir. Er kennt keine Trennung von Seele oder Geist. Er ist mit allem tief verbunden und besitzt deshalb eine große Weisheit. Lernen Sie, auf seine Stimme zu hören. Es lohnt sich.